Am 9. Dezember 2021 fand die zweite virtuelle Mitgliederversammlung von INTEGRITAS – Verein für lautere Heilmittelwerbung e.V. statt.
Im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung trugen insgesamt drei Referenten vor, von denen sich zwei dem Thema „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ widmeten.
Zunächst startete Herr König vom Health Innovation Hub mit seinem Vortrag „Digitale Gesundheit – eRezept“. In einem Ausblick zeigte er zunächst auf, dass Deutschland im Jahr 2018 noch bei den Schlusslichtern im europäischen Vergleich nach dem Digital Heath Index zu finden war. Unter dem Bundeminister für Gesundheit, Jens Spahn, sei daraufhin der „health innovation hub (hih)“ als Brücke zwischen dem Staat und der realen Welt gegründet und eingerichtet worden. Dieser ist bis zum 31. Dezember 2021 befristet und setzt sich zusammen aus insgesamt 14 Expertinnen und Experten mit dem Ziel, die Chancen der digitalen Medizin in der Bevölkerung ankommen zu lassen. Im Laufe der Zeitspanne von 36 Monaten sind 28 Gesetze mit Digitalisierungsbezug erlassen worden, von denen sechs ihren Fokus im Gesundheitsbereich haben, nämlich das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG), das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sowie Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG). Nachdem die Ärztin/der Arzt digital nach Hause kommen kann und die Telemedizin Realität geworden ist, sollen nun auch Rezepte elektronisch ausgestellt und eingelöst werden können, wofür stufenweise Regelungen vom 1. Januar 2022 bis zum 1. Januar 2026 vorgesehen sind. Um das eRezept tatsächlich voll funktionsfähig in Verkehr zu bringen, seien umfangreiche Vorbereitungen auf verschiedenen Ebenen und Einrichtungen erforderlich, an deren Umsetzung es bisher immer noch hapere. Herr König erläuterte anschaulich anhand mehrerer Folien das komplexe Zusammenspiel zwischen der gematik GmbH (digitale Gesundheitsinfrastruktur für Deutschland), den Arztpraxen, den Apotheken und dem einzelnen Patienten und wies auf die Schwierigkeiten hin, all dies rechtzeitig miteinander in Einklang zu bringen. Auch wenn der 1. Januar 2022 als Starttermin für verschreibungspflichtige Arzneimittel als eRezept nicht eingehalten werden könne, bleibe zu hoffen, dass dieser Termin nicht allzu weit nach hinten geschoben werde.
Frau Dr. Faber von Sanofi schloss sich mit Ausführungen zur elektronischen Gebrauchsinformation – Status quo, Herausforderungen und Chancen mit einem Vortrag unter dem Titel „Die elektronische Gebrauchsinformation“ an. Zunächst ging sie auf den „Beipackzettel“ ein, der jedem Fertigarzneimittel in Papier beigefügt ist und der gemäß § 11 Arzneimittelgesetz (AMG) bestimmte Angaben enthält wie z. B. zur Wirkung, den Anwendungsgebieten und Nebenwirkungen. Ebenso ist hierauf der Stand der letzten Überarbeitung angegeben. Auch wenn die Lesbarkeit nicht unbedingt nutzerfreundlich ist, vermittelt der „Beipackzettel“ ein gewisses Vertrauen und ist durch die Entnahme aus der Umverpackung jederzeit verfügbar. Bereits im Jahr 2015 veröffentlichte die Europäische Kommission die Nivel-Studie, aus der ein Jahr später, im Juli 2016, das „Proof-of-Concept“ der europäischen Initiative (Joint industry task force – IATF) hervorging. An dem deutschen Gebrauchsinformation 4.0 (GI 4.0®) Konsortium waren neben 38 pharmazeutischen Unternehmen auch die Bundesoberbehörden Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI), verschiedene Pharmaverbände, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sowie Patientenorganisationen und die Rote Liste Service GmbH beteiligt. Ziel ist das Schaffen eines schnellen Zugriffs auf die aktuellste und nutzerfreundliche Gebrauchsinformation. Ermöglicht werden soll dies durch einen einfachen Zugriff durch Scannen des 2D-Matrix-Codes oder Barcodes auf der jeweiligen Faltschachtel. Als weitere Schritte und mögliche Aufbaustufen sind die Aufnahme von Schulungsmaterial, Information über Textänderungen, Aufnahme von Videos, chargenbezogene Gebrauchsinformationen sowie die Integration in andere e-health Projekte wie das eRezept und die elektronische Patientenakte geplant. Auf diesem Weg ergeben sich für die Patientinnen und Patienten und die Gesundheitsberufe viele Vorteile wie z. B. verbesserte Patientensicherheit durch aktuellste Gebrauchsinformation, jederzeitige Verfügbarkeit mittels App sowie eine hohe Nutzerfreundlichkeit aufgrund der Barrierefreiheit. Gleiches gilt für die Aufnahme von Videos, Schulungsmaterialien, Information über Textänderungen und die Einbindung in e-health-Systeme. Vorteile für Industrie und Behörden liegen in effizienteren Zulassungsprozessen, schnellerer Umsetzung von Textänderungen, höherer Flexibilität und Effizienz in den Produktions- und Verpackungsprozessen und in der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln. Aber auch für die Umwelt und Nachhaltigkeit ergeben sich Vorteile. So komme es zu einem positiven Beitrag zum CO2-Footprint, weniger Papier- und Wasserverbrauch, geringerem Transportvolumen und weniger Lagerflächen. Auf europäischer Ebene habe die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in Zusammenarbeit mit den Leitern der Arzneimittelagenturen und der Europäischen Kommission durch Konsultationen der Interessenträger Schlüsselprinzipien entwickelt, um die Entwicklung und Anwendung von Electronic product information (ePI) in der EU zu leiten und diese bereits im Januar 2020 veröffentlicht.
Im Anschluss an die Digitalisierungsthemen widmete sich Herr Karle von KOZIANKA & WEIDNER Rechtsanwälte in seinem Vortrag der „Abgabe von Gratismustern an Apotheken“, über die zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) und im Anschluss daran der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte. Vorangegangen waren Rechtsstreitigkeiten in 1. und 2. Instanz sowohl in Hamburg (von 2013 bis 2014) als auch in Frankfurt am Main (von 2015 bis 2016), wonach die kostenlose Abgabe des streitgegenständlichen Arzneimittels in der Packungsgröße N2 mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ zu unterlassen war. Die Gerichte sahen in dieser Abgabe sowohl einen Verstoß gegen § 47 Abs. 3 AMG als auch gegen § 7 HWG. Der BGH wandte sich daraufhin im Oktober 2018 mit einem Vorlagebeschluss an den EuGH, der im Juni 2020 zu dem Ergebnis kam, dass Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG dahin auszulegen sei, dass er es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaube, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen stehe diese Bestimmung der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen. Der BGH hatte daraufhin im Dezember 2020 ausgeurteilt, dass die unionsrechtskonforme Auslegung von § 47 Abs. 3 AMG im Lichte von Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG ergebe, dass es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt sei, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen stünden diese Bestimmungen der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen. Allerdings könne die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG als Zuwendung in Form einer Ware unzulässig sein. Dies führte zu einer Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt und zur Zurückverweisung, in der geprüft werden müsse, ob durch die Abgabe des streitgegenständlichen Arzneimittels ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) vorliegen könne, mithin, ob es sich um eine Zuwendung in Form einer Ware von nicht geringem Wert handle, die geeignet sei, bei den Apothekern ein wirtschaftliches Interesse an der Abgabe dieses Arzneimittels zu wecken. Nach einer stringenten Prüfung der einzelnen Voraussetzungen zog Herr Karle das Fazit, dass die Rechtslage auch weiterhin unklar sei, sofern mehr als eine Probepackung abgegeben werde. Rechtssicherheit können nur durch eine Änderung von § 47 Abs. 3 AMG und eine Erstreckung der Erlaubnis auf Apotheker in Bezug auf OTC-Arzneimittel erzielt werden. Es bestünden gute Argumente für eine entsprechende Anwendbarkeit von § 47 Abs. 3 und 4 AMG auf Apotheker (keine Eignung, wirtschaftliches Interesse an Abgabe von Arzneimitteln zu wecken).
Zum Abschluss der Mitgliederversammlung lud Herr Pahne bereits jetzt zur 60. Mitgliederversammlung von INTEGRITAS am 6. Dezember 2022, hoffentlich als Präsenzversammlung in Bonn ein, notfalls als virtuelle Versammlung.
Präsentation Integritas Gratismuster Apotheken (1.8 MB)
Präsentation Elektonische Gebrauchsinformation (1.34 MB)